10 Gebote für Bergsteiger
Eine kleine Anleitung zum Unglücklichsein in den Bergen
Kennen Sie Paul Watzlawick?
Wenn Sie eines seiner bekanntesten Werke die "Anleitung zum Unglücklichsein" kennen, wird Ihnen folgendes vielleicht bekannt vorkommen.
Befolgen Sie alle diese Gebote möglichst gründlich und die Mißerfolge in den Bergen werden nicht lange auf sich warten lassen. Alles wird zur Plage und schwierig, verursacht maximalen Arger
mit allem und jedem und man kommt maximal zerstört, unglücklich, unzufrieden und demotiviert zurück, aber fest entschlossen, nicht so schnell
wieder eine derartige Tour zu machen.
Wenn Sie gut sind und ganz fest nach dieser Anleitung üben, werden Sie das Bergsteigen vielleicht bald ganz aufgeben, falls Sie nicht sowieso
abstürzen, erfrieren oder sonstwie nachhaltig malträtiert werden.
1. Lesen oder hören Sie eifrig Berichte über Bergunfälle!
Man kann nie genug davon erfahren, wie böse und gefährlich die Welt - und besonders die Bergwelt - ist!
Hören Sie auf die vernünftigen Menschen in den Rundfunk- und Zeitungsredaktionen, die nur Ihr Bestes wollen! Die Welt ist einfach schlecht, daran
können Sie nie etwas ändern. Man liest und hört es jeden Tag!
2. Mit dem Ziel so wenig wie möglich beschäftigen!
Am besten ist es, Sie denken nie daran, wie es oben ist! Allein schon dieses Gefühl des Einssein mit der Natur und der Freiheit
könnten schon Hindernisse und Mühsal klein erscheinen lassen.
Je mehr Sie uneins mit Ihrem Ziel sind, umso schwerer erreichen Sie es, umso mehr Hindernisse werden sich auftun und umso mehr werden Sie
die Sinnlosigkeit Ihres Tuns erkennen.
Setzen Sie sich möglichst vage, unrealistische, unattraktive, unmessbare Ziele, denn diese sind kaum zu erreichen!
3. Die Angst verdrängen!
Ängste sind eine schwierige Sache. Am besten, Sie lassen die Angst vor der Tür stehen, auch wenn sie ständig anklopft.
So haben Sie die Gewissheit nie Ihr persönliches Risiko einschätzen, kalkulieren und absichern zu können.
Eine sehr gute Basis für Mißerfolg und Unglück(lichsein)!
4. Gründe für das Scheitern suchen!
Suchen Sie vor und während der Tour ständig nach Gründen und Hindernissen an denen Sie scheitern werden!
Irgendwann haben Sie oder Ihre Begleiter sicher einen Durchhänger und dann können Sie zuschlagen mit Ihren Vorahnungen
und das Unternehmen souverän zum Scheitern bringen.
Sie müssen immer was parat haben, warum\'s wahrscheinlich sowieso nicht funktionieren wird, um jederzeit aufgeben zu können.
5. Erklären Sie den Begleitern Ihre Zweifel!
Das ist ein sehr gutes Mittel eine Sache ins Wanken zu bringen. Denn nur gemeinsam mit anderen sind Sie stark genug, um ausreichend am
Erfolg zu zweifeln, damit es auch wirklich schief geht.
Außerdem sollen die anderen spühren, wie schlecht es Ihnen bei der Sache geht, damit es den anderen auch schlecht geht!
6. Ihren Begleitern viel Verantwortung aufladen!
Geben Sie den anderen möglichst das Gefühl, Sie hinaufbringen zu müssen, obwohl es ja eigentlich gar nicht Ihre Idee war!
Das bringt einige Vorteile:
1. Sie können so Ihre Unsicherheit und Ihr schlechtes Gewissen gut dokumentieren.
2. Sie machen den anderen das Leben so schwer wie Ihnen selbst.
3. Sie brauchen mit Ihrem Ziel nicht im Reinen sein.
4. Sie machen die anderen zu Ihren willfährigen Helfern und im Handumdrehen zu ebensolchen Opfern von Beschuldigungen und Vorwürfen.
5. Sie können dem Mißerfolg so richtig fröhnen, wenn andere daran Schuld sind.
7. Beruhigen Sie Ihr Gewissen mit der besten Ausrüstung!
Mit der neuesten und besten Ausrüstung sind sie voll dabei und es kann Ihnen nichts passieren!
Angemessenes körperliches und mentales Training ist schwer, sehr anstrengend und meistens falsch. Glauben Sie denen, die es nicht tun mehr
als denen, die damit Erfolg haben!
Viel einfacher und wirksamer ist es, ausgiebig einkaufen zu gehen und sich mit (meist unnützem Klumpert) abzuschleppen.
Je schwerer der Rucksack, umso schwerer die Tour!
Und noch etwas: Sie brauchen keine vorwurfsvollen Berichte in unabhängigen Medien befürchten, dass Sie mangelhaft ausgerüstet in Bergnot gerieten und gerettet werden mussten!
Ihr (wahrscheinlich sowieso falsch geschriebener) Name neben einer ganzseitigen Anzeige von "Sport Imperts"! Katastrophal!
8. Verunsichern Sie sich mit Kleinigkeiten!
Eine halbe Stunde zu spät aufgestanden, die kleine Trinkflasche, die falschen Socken, das vergessene Taschenmesser,
die Wolke (die laut Wettervorhersage nicht sein soll) und... und... und...
Unterschätzen Sie nicht diese ganzen Kleinigkeiten! Mit etwas Übung schaffen Sie es sicher, dass Sie den Druck der falschen Socken spüren, den Durst mit der kleinen Trinkflasche und die
Hilflosigkeit ohne Taschenmesser und... und...
9. Mit voller Geschwindigkeit wegstürmen!
Langsamer werden Sie von selbst! Und wenn Sie schon keine Ausdauer haben, so waren Sie wenigstens
am Anfang schnell und geben den anderen die Hoffnung, heute einmal nicht dauernd auf Sie warten zu müssen.
Am Ende haben Sie dann garantiert wieder die Bestätigung: Am Berg ist es einfach sehr, sehr anstrengend!
10. Feinde lauern überall!
Alle anderen, die Sie in den Bergen treffen, werden von niedrigen Motiven gelenkt.
Bei jeder sich bietenden Gelegenheit sollten Sie versuchen, den anderen Ihre edlen Motive und Wertvorstellungen näher zu bringen und sie
davon überzeugen, dass Ihre Sichtweisen die einzig möglichen in einer einfach, aber streng geordneten objektiven Wirklichkeit sind.
Sehr bald werden Sie feststellen, dass man mit den meisten nicht reden kann und Ihr Argwohn immer schon berechtigt war!
Am besten, Sie schaffen ein Paradies, indem Sie alleine sind!
Alleine ist der Mensch doch am unglücklichsten, oder?